Science: Gen führt zur Fehlbildung des Harntraktes
13.03.2015 - Forscher des Uniklinikums Bonn entdecken einen neuen Erbfaktor, der mit seltener Erkrankung zusammenhängt
Gen führt zur Fehlbildung des Harntraktes Forscher des Uniklinikums Bonn entdecken einen neuen Erbfaktor, der mit seltener Erkrankung zusammenhängt
Ein interdisziplinäres Forscherteam unter Federführung des Bonner Universitätsklinikums hat ein Gen entdeckt, das mit einer seltenen Erkrankung in Zusammenhang steht. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Harntrakt während der embryonalen Entwicklung nicht richtig ausbildet. Die Erkenntnis ist ein wichtiger Schritt, die Entstehung solcher angeborener Fehlbildungen besser zu verstehen und prophylaktische Maßnahmen zu entwickeln. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Online-Ausgabe des Fachjournals „PloS Genetics“ veröffentlicht.
Die Nieren und der Harntrakt sind am häufigsten von angeborenen
Fehlbildungen betroffen. Etwa jedes 200. Kind leidet darunter. „Diese
Erkrankungen machen rund 20 bis 30 Prozent aller Fehlbildungen aus, die
während oder kurz nach der Schwangerschaft auftreten“, sagt Privatdozent
Dr. Heiko Reutter vom Institut für Humangenetik und der Abteilung für
Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin des Universitätsklinikums
Bonn.
Seit Jahren untersucht der Kinderarzt die genetischen
Ursachen der klassischen Blasenekstrophie. Schon während der
Embryonalentwicklung kommt es zu Fehlbildungen - von der Harnblase bis
zum gesamten Harntrakt. Die Folgen sind häufig Harnwegsinfekte,
Inkontinenz, Nierenschäden und Beeinträchtigungen der Sexualität. Von
der seltenen Erkrankung ist etwa eines von 20.000 Neugeborenen
betroffen, sie zählt zu den schwersten Fehlbildungsformen aus diesem
Spektrum. „Damit stellt die angeborene klassische Ekstrophie der
Harnblase eine enorme Herausforderung in der medizinischen Versorgung
der Betroffenen und ihrer Familien dar“, sagt Dr. Reutter.
Schwerpunkt am Zentrum für Seltene Erkrankungen
Die
genetischen Ursachen der seltenen Erkrankung lagen bislang im Dunkeln.
Die Forscher des Universitätsklinikums Bonn konnten in den vergangenen
zehn Jahren mit der Selbsthilfegruppe Blasenekstrophie/Epispadie e.V.
und führenden Kinderurologien und Kinderchirurgien in Deutschland -
unter anderem des Kinderkrankenhauses der Barmherzigen Brüder in
Regensburg sowie den Universitäten Mainz und Ulm - die weltweit größte
Patientengruppe gewinnen. Für die aktuelle Studie wurden die Bonner
Forscher zudem durch Forscher am Max-Planck-Institut für molekulare
Genetik in Berlin unterstützt. Hilfreich war außerdem das Zentrum für
Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Bonn (ZSEB). Die Forscher
haben dort einen Schwerpunkt zu seltenen uro-rektalen Fehlbildungen
etabliert.
Die Wissenschaftler isolierten von insgesamt 210
Patienten aus Blutproben die Erbinformation und verglichen sie mit einer
Kontrollgruppe gesunder Personen. Die Forscher erfassten mit
automatisierten Analyseverfahren jeweils mehr als 700.000 genetische
Marker, die gleichmäßig über die DNA verteilt sind. Bei der Auswertung
mit biostatistischen Methoden ergab sich ein klarer Zusammenhang mit
einem veränderten Gen: ISL1 (5q11.1), das sich auf dem Chromosom fünf
befindet. „Damit wurde erstmals überhaupt ein Gen im Zusammenhang mit
dieser Erkrankung identifiziert“, sagt Prof. Dr. Michael Ludwig vom
Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des
Universitätsklinikums Bonn.
Fahndung nach weiteren Genen
Für
die Wissenschaft handelt es sich damit um einen Durchbruch. „Mit der
Entdeckung dieses Gens besteht nun die Möglichkeit, die biologischen
Grundlagen dieser Erkrankung aufzuklären“, sagt Prof. Dr. Markus Nöthen
vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. Über die
genetischen Ursachen der Ekstrophie der Harnblase hinaus gehe es nun
darum, Risikofaktoren während der Schwangerschaft zu identifizieren und
daraus vorbeugende Ansätze für das werdende Leben zu entwickeln. Weitere
Untersuchungen sollen zeigen, welche bislang unentdeckten Gene eine
Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen. Für die Fortsetzung der
Studien suchen die Wissenschaftler noch Probanden. Interessierte können
sich direkt per E-Mail an Dr. Reutter wenden: [Email protection active, please enable JavaScript.].
Publikation: Genome-wide
association study and meta-analysis identify ISL1 as genome-wide
significant susceptibility gene for bladder extrophy, „PLOS Genetics“,
DOI: 10.1371/journal.pgen.1005024.
Kontakt für die Medien:
PD Dr. Heiko Reutter
Institut für Humangenetik/Abteilung
für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
des Universitätsklinikums Bonn
Tel. 0228/28751000
E-Mail: [Email protection active, please enable JavaScript.]