Science: Genetische Ursachen bei Speiseröhrenkrebs
15.08.2016 - Forscher entschlüsseln unter Beteiligung der Uni Bonn neue Genvarianten bei Barrett-Ösophagus und -Karzinom
Genetische Ursachen bei Speiseröhrenkrebs Forscher entschlüsseln unter Beteiligung der Uni Bonn neue Genvarianten bei Barrett-Ösophagus und -Karzinom
Wenn häufig Magensäure in die untere Speiseröhre aufsteigt, kann sich durch die Schädigung der Schleimhaut zunächst ein Barrett-Ösophagus und daraus ein Barrett-Karzinom entwickeln. Beide Erkrankungen haben in den Industrienationen stark zugenommen. Ein internationales Forscherteam entschlüsselte nun unter Mitwirkung der Universität Bonn insgesamt neun neue Genvarianten, die mit den Barrett-Krankheiten in Zusammenhang stehen. Daraus ergeben sich neuartige Einblicke in die Krankheitsursachen und Ansatzpunkte für eine bessere Diagnose. Die Ergebnisse werden nun im Fachjournal „Lancet Oncology“ vorgestellt.
Beim Barrett-Karzinom handelt es sich um einen
Speiseröhrenkrebs, der sich meist als Folge einer chronischen
Refluxerkrankung entwickelt. Dabei steigt immer wieder Säure aus dem
Magen auf und greift die Schleimhaut in der unteren Speiseröhre an. In
der Folge kann es zu Entzündungen und auch zur Umwandlung der
Speiseröhrenwandzellen von einer plattenförmigen Struktur in eine
Zylinderform kommen. Mediziner sprechen dann von einem
„Barrett-Ösophagus“, aus dem sich schließlich Tumore entwickeln können.
„Das Barrett-Karzinom hat in den Industrieländern in den vergangenen
Jahren sehr stark zugenommen“, sagt Dr. Johannes Schumacher vom Institut
für Humangenetik der Universität Bonn. Ursache sei eine Häufung
ernährungsbedingter Refluxerkrankungen.
Studien haben auch
genetische Risikofaktoren zutage gefördert: Insgesamt acht
Verdachtsregionen waren bislang bekannt, die mit dem Auftreten des
Barrett-Ösophagus und -Karzinoms in Zusammenhang stehen. Ein
internationales Forscherkonsortium aus dem Vereinigten Königreich, den
USA, Kanada und Deutschland um Dr. Puya Gharahkhani vom QIMR Berghofer
Medical Research Institute in Brisbane (Australien) hat nun bei einer
groß angelegten Untersuchung neun weitere Verdachtsregionen
entschlüsselt. „Damit hat sich die Anzahl der nun bekannten
Risikovarianten mehr als verdoppelt“, sagt Dr. Schumacher von der
Universität Bonn, der am Projekt beteiligt war.
Große Studie mit mehr als 10.000 Patienten
Das
internationale Team untersuchte anhand von Blutproben das Erbgut von
6.167 Barrett-Ösophagus- und 4.112 Barrett-Karzinom-Patienten. Mit
modernen Hochdurchsatzverfahren entschlüsselten die Wissenschaftler pro
Patient mehr als zehn Millionen Genvarianten und verglichen die
Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe aus 17.159 Menschen. Von den neun
Verdachtsregionen, die nun bei den Erkrankten mit Barrett-Ösophagus oder
Barrett-Karzinomen entdeckt wurden, steht eine auch mit Mukoviszidose
in Zusammenhang. Bei dieser Krankheit sind die Körpersekrete sehr
zähflüssig, was zu Funktionsstörungen der Lunge und des Verdauungstrakts
führt. „Mehr als 80 Prozent der Mukoviszidose-Patienten leidet unter
Reflux“, berichtet der Humangenetiker der Universität Bonn. Die
genetischen Veränderungen bei Barrett-Erkrankungen und Mukoviszidose
deuten möglicherweise auf veränderte chemische Bedingungen im Magensaft
der Betroffenen hin.
Ansatzpunkt für bessere Barrett-Karzinom-Prognosen
Bislang
war es praktisch unmöglich abzuschätzen, in welchen Fällen sich aus
einem Barrett-Ösophagus ein gefährliches Barrett-Karzinom entwickelt.
„Wir haben nun erstmals eine Genvariante gefunden, die nur bei
Barrett-Karzinom-Patienten vorkommt“, sagt Dr. Schumacher. Anhand dieser
Abweichung im Erbgut lässt sich möglicherweise ein Patientenkreis
eingrenzen, der sich häufiger Krebsuntersuchungen der Speiseröhre
unterziehen sollte, damit die Entwicklung von Tumoren aus Vorstufen
rechtzeitig erkannt wird. Allerdings ist diese Genvariante allein noch
nicht aussagekräftig genug. Für eine zutreffende Prognose müssen die
Wissenschaftler erst noch weitere Genvarianten entdecken, die nur beim
Barrett-Karzinom vorkommen.
Publikation:
Genome-wide association studies in oesophageal adenocarcinoma and
Barrett’s oesophagus: a large-scale meta-analysis, “The Lancet
Oncology”, DOI: 10.1016/S1470-2045(16)30240-6, Internet: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(16)30240-6
Kontakt für die Medien:
Dr. Johannes Schumacher
Institut für Humangenetik
Universität Bonn
Tel. 0228/28751028
E-Mail: [Email protection active, please enable JavaScript.]
Pressemeldung der Universität Bonn: https://www.uni-bonn.de/neues/170-2016