Science: Soziale Phobie - Hinweise auf genetische Ursache
09.03.2017 - Studie des Universitätsklinikums Bonn untermauert Zusammenhang mit dem Botenstoff Serotonin. Weitere Probanden gesucht.
Menschen mit sozialen Ängsten gehen Situationen aus dem Weg, in denen sie der Bewertung durch andere ausgesetzt sind. Häufig leben die Betroffenen zurückgezogen. Etwa jeder zehnte Mensch ist im Lauf seines Lebens von dieser Angststörung betroffen. Forscher der Universität Bonn haben nun Hinweise auf ein Gen gefunden, das mit der Erkrankung vermutlich in Zusammenhang steht. Es kodiert einen Serotonin-Transporter im Gehirn. Interessanterweise dämpft dieser Botenstoff Angstgefühle und Depressivität. Die Wissenschaftler wollen diese Ursache genauer erforschen und suchen deshalb weitere Studienteilnehmer. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Psychiatric Genetics” veröffentlicht.
Herzrasen, Zittern und Atemnot: Wer unter einer Sozialen Phobie
leidet, meidet größere Gruppen. Mündliche Prüfungen oder alltägliche
Verabredungen sind angstbehaftet - schließlich könnten die Mitmenschen
ein negatives Urteil fällen. Solchen Situationen gehen Betroffene
deshalb aus dem Weg. Kontakte gelingen häufig besser über soziale Medien
oder aus der Anonymität des Internets heraus. Soziale Phobien zählen zu
den psychischen Störungen, die gleichzeitig durch genetische und
umweltbedingte Faktoren ausgelöst werden. „Bei der Erforschung der
genetischen Ursachen dieser Erkrankung gibt es noch viel zu tun“, sagt
Dr. Andreas Forstner vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn.
„Bislang sind nur wenige Verdachtsgene bekannt, die damit in
Zusammenhang stehen könnten.“
Einzelne Basenpaare können im Erbgut variieren
Zusammen mit der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn führt Dr. Forstner eine
Studie zu den genetischen Ursachen der Sozialen Phobie durch. Das
Forscherteam untersuchte das Erbgut von insgesamt 321 Patienten und
verglich es mit 804 Kontrollpersonen. Im Fokus der Wissenschaftler
standen dabei sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (englisch Single
Nucleotide Polymorphisms, SNPs). „Es handelt sich dabei um variable
Stellen im Erbgut, die bei verschiedenen Menschen in unterschiedlicher
Ausprägung vorliegen können“, erklärt Dr. Forstner.
Genetisch bedingte Erkrankungen haben häufig in den SNPs ihre Ursache.
Schätzungsweise liegen mehr als dreizehn Millionen solcher Veränderungen
im menschlichen Erbgut vor. Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt
24 SNPs, die im weitesten Sinn als Ursache Sozialer Phobien und anderer
psychischer Störungen in Verdacht stehen. „Dabei handelt es sich um die
bislang größte Assoziationsstudie zur Sozialen Phobie“, sagt
Privatdozent Dr. Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik der
Universität Bonn.
Patienten gaben zu ihren Symptomen Auskunft
Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie des Uniklinikums Bonn befragen im Verlauf der Studie
die Patienten zu ihren Symptomen und zur Schwere ihrer Sozialen Phobie.
Außerdem wird anhand einer Blutprobe ihr Erbgut untersucht. Ob zwischen
den Anzeichen der Erkrankung und den Genen ein Zusammenhang besteht,
prüfen die Wissenschaftler mit statistischen Methoden. Dabei ergaben
sich in der Auswertung der bisher erhobenen Daten Hinweise darauf, dass
ein SNP am Serotonin-Transporter-Gen SLC6A4 bei der Entstehung der
Sozialen Phobie beteiligt ist.
Dieses Gen kodiert in Gehirnzellen einen Mechanismus, der am Transport
des wichtigen Botenstoffs Serotonin beteiligt ist. Diese Substanz dämpft
unter anderem Angstgefühle und depressive Verstimmungen. „Das Ergebnis
untermauert Hinweise vorangegangener Studien, dass Serotonin bei der
Sozialen Phobie eine wichtige Rolle spielt“, sagt Privatdozent Dr.
Rupert Conrad von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie. Medikamente, die die Serotonin-Wiederaufnahme
blockieren und die Konzentration des Botenstoffs in der
Gewebeflüssigkeit des Gehirns erhöhen, werden bereits seit längerem zur
Therapie von Angststörungen und Depressionen eingesetzt.
Probanden können an erweiterter Studie teilnehmen
Die Wissenschaftler wollen nun noch genauer untersuchen, wie die
Zusammenhänge zwischen Erbgut und Sozialer Phobie sind. „Um dieses Ziel
zu erreichen, benötigen wir noch deutlich mehr Studienteilnehmer, die
unter sozialer Ängstlichkeit leiden“, sagt die Psychologin und
Studienkoordinatorin Stefanie Rambau von der Klinik und Poliklinik für
Psychosomatik des Uniklinikums Bonn. Menschen aus ganz Deutschland, die
unter sozialer Ängstlichkeit leiden und mindestens 18 Jahre alt sind,
können sich unter Tel. 0228/28714605 oder E-Mail
[Email protection active, please enable JavaScript.] melden. Informationen zur Studie gibt es
unter www.SocialPhobiaResearch.de. „Wer teilnimmt, trägt dazu bei, die
Soziale Phobie zu erforschen. Das ist die Grundlage für bessere
Diagnose- und Therapieverfahren in der Zukunft“, sagt Stefanie Rambau.
Den Teilnehmern kann auf Wunsch eine persönliche Rückmeldung zu
bestimmten Ergebnissen der Fragebögen gegeben werden.
Publikation: Further evidence for genetic variation at the serotonin
transporter gene SLC6A4 contributing to anxiety, Psychiatric Genetics,
DOI: 10.1097/YPG.0000000000000171
Kontakt für die Medien:
Dr. Andreas Forstner
Institut für Humangenetik
Universität Bonn
Tel. 0228/28751084 oder 6885412
E-Mail: [Email protection active, please enable JavaScript.]
Kontakt für Studienteilnehmer:
Dipl.-Psych. Stefanie Rambau
Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie
Universität Bonn
Tel. 0228/28714605
E-Mail: [Email protection active, please enable JavaScript.]
Weitere Informationen:
http://www.SocialPhobiaResearch.deInformationen zur Studie
Link zur Pressemitteilung der Uni Bonn: https://www.uni-bonn.de/neues/071-2017